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856 Euro: So viel bleibt Frauen im Schnitt im Alter zum Leben, rechnet die Deutsche Rentenversicherung vor. Bei drei Viertel der heute 35- bis 50-jährigen Frauen in Deutschland wird die Rente später sogar unter 400 Euro liegen. Warum ist das so? Und wie können Frauen und Männer ihre Rentenlücke schließen? Antworten von Mona Linke, Expertin bei der Bildungsplattform Finanzfluss.

Nataly Bleuel
Lesedauer: 3 Minuten

Warum ist Altersarmut vorwiegend weiblich?

Mona Linke Frauen in Deutschland verdienen nach wie vor bei gleicher Qualifikation oft weniger Geld als Männer. Sie arbeiten häufig weniger, wenn sie Kinder bekommen haben, und das oft in sozialen Berufen, die schlechter bezahlt werden. Deutschland ist in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), also unter 38 wohlhabenden Staaten, das Land mit dem größten Rentengefälle zwischen Mann und Frau. Viele Frauen haben so wenige Rentenpunkte gesammelt, dass zwischen der gesetzlichen Rente und den Kosten für einen grundlegenden Lebensbedarf im Alter eine Riesenlücke klafft. Insgesamt ist jede und jeder fünfte Deutsche über 80 Jahren von Altersarmut betroffen, also auch viele Männer. Private Vorsorge sollte deshalb selbstverständlich sein.

Mona Linke ist Redakteurin des Youtube-Kanals finanzfluss.de . Dort erklärt sie jede Woche allgemein verständlich aktuelle Ereignisse aus der Welt des Geldes. Auch auf Partys sind ETFs für sie häufig Gesprächsthema, obwohl sie ursprünglich nicht aus der Branche kommt, sondern Geisteswissenschaftlerin ist. Mit dem ehemaligen Investmentbanker Thomas Kehl hat sie den Spiegel-Bestseller Das einzige Buch, das du über Finanzen lesen solltest. Der entspannte Weg zum Vermögen geschrieben.

Was sind Klassiker der Geldanlage?

Staatliche Zusatzversicherungen wie Riester- oder Rürup-Rente oder private Lebensversicherungen. Bei der Rürup-Rente profitieren Sparerinnen und Sparer von Steuervorteilen; die Riester-Rente bietet daneben feste Zulagen für Eltern und Kinder. Für Geringverdienende, Alleinerziehende und Familien mit vielen Kindern kann das interessant sein. Als Altersvorsorge eignen sich die Modelle aber eher nicht, sie bringen wie private Versicherungen vergleichsweise wenig Rendite. Wer genug Eigenkapital und Einkommen hat, kann auch eine Immobilie erwerben, die vermietet oder im Alter mietfrei bewohnt werden kann. Aber auch hier sind regelmäßige Mieteinnahmen nicht unbedingt garantiert und Vermieten bedeutet großen zeitlichen Aufwand. Und es lässt sich nur schwer kalkulieren, welche Reparaturen und Renovierungen über die Jahre anfallen. Wer breit gestreut und langfristig in Aktien investiert, hat grundsätzlich die besten Chancen auf eine solide Rendite. Mit ETFs geht das auch für Laien.

Was sind ETFs?

ETF steht für Exchange Traded Fund, also börsengehandelter Indexfonds. ETFs gehören zur Klasse der passiven Fonds, die einen Wertpapierindex – wie den DAX oder MSCI World – kopieren. Im MSCI World werden derzeit mehr als 1.600 Aktien von Unternehmen aus 23 Industrieländern abgebildet. „Passiv“ bedeutet, dass man nicht dauernd aktiv einzelne Wertpapiere beobachten, kaufen und abstoßen muss. Man setzt einfach langfristig auf den Gewinn des Gesamtpakets. Das spart Zeit und viele Transaktionskosten. Je langfristiger man sein Geld anlegt, umso besser. Stichwort Zinseszins: Die Zinsen, die Anlegerinnen und Anleger auf ihre Zinsen erhalten, steigen umso mehr, je länger sie ihr Kapital reinvestieren.

Gilt das auch für Krisenjahre an der Börse wie 2022?

Ja, denn es hat sich gezeigt, dass Kursschwankungen über lange Zeiträume fast immer ausgeglichen werden. In manchen Jahren läuft es schlecht, in anderen sehr gut, dann wieder schlecht – auf lange Sicht sind die globalen Indizes gestiegen, im Schnitt pro Jahr um knapp sechs Prozent. Sogar die starken Kursrutsche während der Finanzkrise 2008 wurden ausgeglichen. Natürlich sind auch ETFs nicht risikofrei. Auch sie können in ihrem Wert schwanken, weswegen es gilt, möglichst lange dabeizubleiben und nicht bei der ersten Krise auszusteigen und Verluste zu erleiden. Der Vorteil ist, dass das Risiko bei globalen Indizes breit verteilt ist, dass sie günstiger sind als aktive Fonds von einer Bank und man auch kleine Summen investieren kann.

Was sollte der Staat für eine sichere Altersvorsorge tun?

Mithelfen, dass die Menschen zumindest einen Teil ihrer Einkünfte abseits der gesetzlichen Rentenversicherung anlegen – wie in einigen skandinavischen Staaten. Anhand von Staatsfonds investieren sie einen kleinen Anteil des Bruttogehalts ihrer Bürgerinnen und Bürger – zum Beispiel 2,5 Prozent – am Kapitalmarkt. Und den bekommen diese samt Gewinn im Alter ausgezahlt. Gleichzeitig sollte das Steuersystem an mancher Stelle reformiert werden. Zum Beispiel indem man das Ehegattensplitting abschafft, mit dem die schlechter verdienende Partnerin einen höheren Steuersatz als der besser verdienende Partner hat.