Projektphase I
Nach Auftakt durch den Fachtag am 13. Dezember 2021 startete 2022 die erste Projektphase, deren Ziel einerseits die Erarbeitung einer wissenschaftlichen Expertise war. Diese hat Grundlagen und Bausteine zur Entwicklung und Erprobung des innovativen Programms herausarbeitet. Hierfür wurden neben einer Literarturrecherche auch Expert:inneninterviews und multidisziplinäre Fokusgruppen mit Fachkräften aus dem Hilfesystem häusliche Gewalt durchgeführt. Als wesentliche Ergebnisse aus der Literaturauswertung wurde die modellhafte Erprobung und Evaluation einer familienorientierten Frühinterventionsmaßnahme basierend auf dem Konzept der multisystemischen Therapie bei Kindesmisshandlung und -vernachlässigung (MST-CAN) nach Swenson und Schaeffer (2018) abgeleitet. Die Analyse der Interviews und Fokusgruppen ergab, dass es für eine Förderung von Prävention der Aufklärung und Sensibilisierung sowohl von Gesamtbevölkerung als auch von Fachkräften bedarf. Hierfür sowie für eine verbesserte Intervention sind Kooperationsbeziehungen und ein gemeinsames Verständnis von Prävention unter den Fachkräften essentiell, aber nicht selbstverständlich. Gemeinsame Fortbildungen und regionale Austauschformate wurden als geeignet zur Entwicklung einer „gemeinsamen Sprache“ diskutiert.
Andererseits wurden in Projektphase I „hilfesystemspezifische“ Workshops zu den Themen Frauen, Kinder, Täterarbeit, Recht/Polizei und Gesundheit/Trauma durchgeführt. Diese orientierten sich an verschiedenen Leitfragen zur Präventionsarbeit und der institutionsübergreifenden Zusammenarbeit im Hilfesystem. Wichtige Erkenntnisse waren innovative Ansätze insbesondere für die Verbesserung der strukturellen Versorgung betroffener Kinder. Weiterhin äußerten die teilnehmenden Fachkräfte den Wunsch nach interdisziplinären Curricula zu verschiedenen Themen, wie kommunikativen, traumapädagogischen und polizeilichen Kompetenzen. Auch die Bedeutung von Kooperation und Vernetzung für die erfolgreiche Arbeit wurde in den Workshops betont und die Idee der Erziehungsberatungsstellen als Anlaufstellen bzw. „Knotenpunkte“ diskutiert.
Projektphase II
In der aktuell laufenden zweiten Projektphase wird eine auf MST-CAN basierende Frühintervention für von häuslicher Gewalt betroffene Familien ebenso entwickelt wie eine Schulung für das durchführende Personal. Diese Maßnahme im Rahmen der aufsuchenden psychiatrischen Arbeit angeboten und aus Sicht von Familien und Fachkräften evaluiert. Weiterhin werden an 1-2 Modellstandorten Netzwerktreffen mit Expert:innen verschiedener kommunaler Hilfesysteme organisiert, um Kooperationsbeziehungen im Netzwerk häuslicher Gewalt gezielt zu fördern und Erziehungsberatungsstellen in der Rolle der „Knotenpunkte“ zu stärken. Ebenfalls zur zweiten Projektphase gehört die Durchführung eines weiteren Fachtags. Dieser wird am 27.06.2025 stattfinden und befasst sich ausgehend von den rechtlichen Verpflichtungen Deutschlands, Prävention häuslicher Gewalt umzusetzen (vgl. Istanbul-Konvention & „Gewalthilfegesetz“) mit innovativen Ideen einer auf alle Familienmitglieder zielenden Prävention und Intervention häuslicher Gewalt.