1.208

1.208 Euro pro Monat: So hoch könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen sein, das alle Bürgerinnen und Bürger erhalten sollen, um ihre Existenzgrundlage zu sichern. Dabei sind viele Fragen offen: Ist ein solches Grundeinkommen gerecht? Wie lässt es sich finanzieren? Und wie wirkt es sich aus? Ein Überblick.

Elisa Holz
Lesedauer: 3 Minuten

Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist eine Idee, die Ende des 18. Jahrhunderts aufkam, um Armut abzuschaffen. Ihr Kern: Jede Bürgerin und jeder Bürger soll jeden Monat vom Staat ohne Gegenleistung eine bestimmte Summe an Geld erhalten, die den nötigsten Lebensbedarf abdeckt.

Die Frage des Geldes 

Eine der entscheidenden Fragen ist, wie ein BGE finanziert werden könnte. Damit das Existenzminimum abgesichert ist, müssten Erwachsene 1.208 Euro und Kinder 684 Euro monatlich erhalten. Zu diesem Ergebnis kam der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums im vergangenen Jahr.

Wir leben in Zeiten großer Umbrüche. Unser Arbeits- und Berufsleben verändert sich fundamental. Das liegt an Automatisierung und Digitalisierung, die viele Arbeitsplätze überflüssig machen. An der demografischen Entwicklung, die die Finanzierung sozialer Sicherungssysteme gefährdet. An der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. Auch unvorhersehbare Krisen wie die Corona-Pandemie tragen dazu bei, dass Menschen in finanzielle Not geraten. Ob ein Grundeinkommen helfen kann, die negativen Folgen dieser Entwicklungen abzumildern, wird über alle politischen Lager hinweg kontrovers diskutiert.

Bei einem Bevölkerungsstand von rund 83 Millionen Menschen bedarf es dazu jährlich rund einer Billion Euro – etwa der Summe, die der deutsche Staat im Jahr 2020 für Sozialleistungen ausgegeben hat. In diesem Zusammenhang wird eine Vielzahl an Finanzierungsmodellen diskutiert. Einigkeit besteht in zwei Punkten: Ein BGE würde die meisten Leistungen des Sozialstaats ersetzen müssen, außer die für Kranke oder Menschen mit Behinderung. Zudem wären Steuererhöhungen nötig, etwa eine höhere Mehrwertsteuer, eine höhere Besteuerung von Vermögen oder eine Börsenumsatzsteuer.

Die Studienlage

Was ein BGE für unsere Gesellschafttatsächlich bedeuten würde, nicht absehbar. Es gibt immer wieder Studienprojekte, wie zuletzt in Finnland. Dort bekamen 2.000 arbeitslose Personen zwei Jahre lang monatlich 560 Euro. Das Ergebnis: Die Menschen hatten weniger gesundheitliche Probleme und größeres Vertrauen in die Zukunft – und die große Mehrheit legte nicht wie befürchtet die Hände in den Schoß. Dennoch ist die Aussagekraft dieser und ähnlicher Studien umstritten. Es nahmen zu wenige Personen teil, die Versuche waren zeitlich befristet und räumlich begrenzt. Durch die dünne Studienlage können die meisten Thesen zum Thema BGE derzeit weder bestätigt noch widerlegt werden. Ein Überblick über ökonomische und sozialpolitische Effekte, die von Befürwortern und Gegnern erwartet werden:

Mehr...

Chancen: Niemand muss sich durch die Zuwendung als „Sozialschmarotzer“ fühlen, weil das BGE allen Bürgerinnen und Bürgern zusteht. Mit steigendem Selbstbewusstsein erhöht sich auch die Chance auf einen beruflichen und sozialen Aufstieg.

Freiheit: Mit dem BGE im Rücken sinken Existenzängste. Menschen treffen mutigere berufliche Entscheidungen, bilden sich fort oder machen sich entsprechend ihren individuellen Neigungen selbstständig. Das fördert die persönliche Zufriedenheit sowie Unternehmergeist und Innovation.

Engagement: Das BGE hilft bei der Verkürzung von Tages-, Jahres- und Lebensarbeitszeiten und schützt gleichzeitig vor Verarmung. Es bleibt mehr Zeit für Familie, die Pflege von Angehörigen, ehrenamtliche Tätigkeiten und Hobbys.

Lohn: Nicht oder nur unzureichend qualifizierte Menschen nehmen keine schlecht bezahlten Jobs mehr an. Um Arbeitskräfte zu halten beziehungsweise anzuwerben, müssten vor allem im Niedriglohnsektor die Löhne steigen. Da viele Sozialabgaben mit der Einführung des BGE wegfielen, wäre das für die meisten Unternehmen auch bezahlbar.

… oder weniger

Sozialstaat: Nicht jede oder jeder hat den Eigenantrieb, die Möglichkeiten und die Ressourcen, um ihr oder sein Berufsleben selbstverantwortlich zu gestalten. Bedürftige Menschen können von gezielten Schulungsund Hilfsangeboten des Sozialstaates nicht mehr profitieren. So schafft das BGE eine neue Zweiklassengesellschaft.

Leistungsbereitschaft: Eine beträchtliche Anzahl von Menschen erkennt keinen Sinn mehr in Arbeit und gibt sich mit dem Grundeinkommen zufrieden. Das ist fatal für das Funktionieren einer Volkswirtschaft.

Staatseinahmen: Wenn weniger Menschen arbeiten, zahlen sie auch weniger Steuern. Außerdem wandern Vermögende und Unternehmen ab, wenn sie wegen des BGE höher besteuert werden. Wenn alle ein BGE bekommen, nimmt die Zuwanderung aus der Europäischen Union oder aus ärmeren Ländern zu, was kaum zu finanzieren wäre und den sozialen Frieden gefährdete.

Gerechtigkeit: Warum soll der Staat mit den Mitteln der Allgemeinheit auch Millionärinnen oder Millionären ein Grundeinkommen finanzieren? Hinzu kommt, dass Geld nicht überall gleich viel wert ist. In Stuttgart oder Freiburg kann man sich für 1.200 Euro weniger leisten als in ländlicheren Gebieten.