Interview
Mission saubere Donau

Vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer durchquert die Donau zehn europäische Länder. Andreas Fath, bekannt als „schwimmender Professor“, ist diesen großen Strom rund 2.700 Kilometer hinabgeschwommen – um ein Zeichen gegen Mikroplastik in Gewässern zu setzen. Ein Gespräch über das Projekt „Clean Danube“ und darüber, was das Wasser über die Länder entlang der Donau verrät.

Isabel Stettin
Lesedauer: 4 Minuten

Wasserort Ulm
H

Herr Fath, Sie sind Professor für Chemie. Und die Donau ist bereits der dritte Fluss, den Sie durchschwommen haben, nach dem Rhein und dem Tennessee River in den USA. Warum machen Sie das?

Flüsse sind für mich Spiegelbilder der Gesellschaft. In ihnen können wir sehen, wie die Menschen leben, was ihnen die Natur bedeutet, wie sie ihren Abfall behandeln, welche Medikamente sie nehmen. Was uns das Wasser erzählt, fasziniert mich. Wir wollten mit unserer Aktion „Clean Danube“ klären, was alles in der Donau schwimmt, das da nicht reingehört. Und ein Bewusstsein bei den Menschen schaffen, den Fluss und seine Artenvielfalt zu schützen.


Wie haben Sie die Donau erlebt?

Sie ist die Lebensader Europas, so international wie kaum ein anderer Fluss der Welt. Über Grenzen hinweg fließt sie durch zehn Staaten und durch die Hauptstädte Wien, Bratislava, Budapest und Belgrad. Die Menschen, die an ihren Ufern leben, haben einen sehr engen Bezug zur Donau. Jeden Tag konnte ich erleben, wie der Strom eingebunden ist, als Transportweg und im Alltag: Da angelt der Vater mit dem Sohn, Freunde paddeln, Familien grillen und zelten am Ufer. Menschen gehen baden. Die Donau wirkt wie eine idyllische Flusslandschaft. Zumindest auf den ersten Blick.


Und was zeigt der zweite Blick?

Sagen wir es so: Ich habe es überlebt, in der Donau zu schwimmen. In vielen der Länder erinnert sie eher an einen Abwasserkanal. Einige der Staaten haben weder funktionierende Pfandsysteme noch wirksame Müllvermeidungsstrategien, sie haben keine Kläranlagen und betreiben kein Recycling. Vor allem wegen der Dürreperioden der vergangenen Jahre führt die Donau zudem weniger Wasser. Das bedeutet, dass auch Schadstoffe weniger verdünnt werden.

Während Andreas Fath Strecke macht, untersucht seine Crew auf dem Begleitschiff die unterwegs erhobenen Wasserproben. Denn in erster Linie ist „Clean Danube“ ein wissenschaftliches Projekt.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Bedrohungen?

Vor allem der Plastikmüll, der das Wasser verschmutzt. Flaschen, Tüten und achtlos weggeworfener Müll finden sich am Grund des Flussbetts. Hat die Donau wenig Wasser, bleiben kilometerlange Müllstreifen am Ufer liegen, bis zum nächsten Hochwasser. Beim Schwimmen konnte ich immer wieder ein Knirschen hören: Der Fluss zermalmt das weggeworfene Plastik wie eine Mühle, zerkleinert es zu winzigen Partikeln, abgeschmirgelt an Sand und Stein. Mikroplastik nennen wir die winzigen Teilchen, von denen es mittlerweile mehr im Flusswasser gibt als Fischlarven: pro Liter 2.700 Partikel. Täglich trägt die Donau vier Tonnen Plastik ins Schwarze Meer.


Warum ist das so besorgniserregend?

Plastik ist ein hervorragender Werkstoff, für vieles sinnvoll. Aber in unseren Gewässern, im Boden und im Körper hat es nichts zu suchen. Wir haben seit dem Jahr 1950 weltweit 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoffe produziert, kaum zehn Prozent davon recycelt und zwölf Prozent verbrannt. Der Rest befindet sich noch in Gebrauch – oder in der Umwelt. In größeren Plastikteilen können sich Tiere verfangen und verenden. Mikroplastik wiederum zieht wie ein Magnet Umweltgifte an, bindet Pestizide, Hormone, Medikamente wie Antibiotika. Fressen etwa Fische die Teilchen, landet das Gift am Ende der Nahrungskette auf unseren Tellern. Sind unsere Ökosysteme krank, erkranken auch wir früher oder später. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass Plastik oder Kunststoff gar nicht erst in Gewässer gelangen.

 

Rund 2.700 Kilometer zu schwimmen, ist eine enorme sportliche Herausforderung. Täglich waren Sie acht Stunden im Wasser, das um die zwölf Grad kalt war. Wie haben Sie das gemeistert?

Ich habe nie an die ganze Strecke gedacht, immer nur an die nächste Etappe. Mein Körper ist an Grenzerfahrungen gewöhnt. Ich bin seit früher Kindheit im Wasser zuhause. Als Leistungsschwimmer habe ich an Wettkämpfen in der Bundesliga und bei deutschen Meisterschaften teilgenommen. Daher bin ich darin trainiert, möglichst wenig Wasser zu schlucken. Gegen die Kälte half ein Neoprenanzug. Zudem blieb ich immer in Bewegung. Täglich legte ich bis zu 70 Kilometer zurück. Auf unserem Begleitschiff, der MS Marbach, konnte ich mich in den Pausen mit heißer Suppe wärmen und schlafen. Unser Schiff diente als schwimmendes Labor und Hotel für unsere achtköpfige Crew.

 

Welche Rolle spielte Ihr Team?

Wir hatten eine sehr enge Verbindung. Dieser Zusammenhalt war von unschätzbarem Wert. Jeden Tag entnahmen wir Wasserproben. Mehrere Studierende von der Hochschule Furtwangen, an der ich als Chemieprofessor lehre, übernahmen die Wasseranalyse. Zwei andere leiteten unsere interaktive Wissenswerkstatt für Kinder und Jugendliche: Sie klärten auf, warum achtlos weggeworfene Bonbontüten Enten krank machen können und wie Recycling funktioniert. Wir haben überall Workshops veranstaltet, in Kooperation mit lokalen Initiativen. Zudem begleitete uns ein Dokumentarfilmer: Wir wollen langfristig etwas bewirken und das Bewusstsein der Menschen verändern.

 

Was haben Sie über die Wasserqualität der Donau herausgefunden?

An vielen Stellen war das Wasser gesundheitsgefährdend verunreinigt. In Baden-Württemberg, wo sich die Schwarzwaldflüsse Brigach und Breg zur Donau vereinen, ist die Wasserqualität noch sehr gut. Je weiter stromabwärts man aber kommt, desto mehr Müll trägt der Fluss mit sich und desto stärker war die Verschmutzung, auch weil immer mehr Abwasser aus den Städten im Wasser landete. In Serbien war die Donau mit am dreckigsten: Dort sah ich etwa, wie aus einer Industrieanlage eine rote Brühe in das Wasser geleitet wurde. Da das Land nicht zur Europäischen Union gehört, ist es nicht an die EU-Wasserrahmenrichtlinie gebunden. Die Millionenstadt Belgrad leitet ungeklärtes Abwasser einfach in den Fluss. Der Bevölkerung war das gar nicht bewusst. Es hat für einen Skandal gesorgt, als ich im Interview mit dem dortigen Frühstücksfernsehen davon berichtete und erklärte, warum ich in Belgrad das Wasser verlassen hatte. Ausgerechnet dort, wo ich nicht schwimmen konnte, habe ich mit das größte Echo ausgelöst. Besorgniserregend fand ich auch, wie viele tote Fische uns in Budapest entgegengetrieben sind. Da bleibt die Frage, woran sie gestorben sind.

 

Ihre Route führte Sie auch ins ukrainisch-rumänische Grenzgebiet. Inwieweit hat der russische Angriffskrieg Ihre Reise beeinträchtigt?

Immer wieder hörten wir Explosionen. Wir kamen dem Kriegsgebiet nah, doch wir haben nichts riskiert. Die geplanten Workshops in der Ukraine mussten darum bedauerlicherweise ausfallen. Wir unterstützten geflüchtete Kinder aus der Ukraine mit Sachspenden. Aus PET-Flaschen recycelte Turnbeutel übergaben wir an eine Hilfsorganisation. Besonders fatal ist natürlich auch, was dieser Krieg neben der humanitären Katastrophe, neben all dem Leid, für die Umwelt bedeutet. Das Wasser wird durch die Kampfhandlungen stark kontaminiert.

Immer auf dem Sprung: der „schwimmende Professor“.
Mit an Bord: ein Dokumentarfilmer.

Wen wollten Sie mit Ihrer Aktion erreichen?

Unser Ziel war es, möglichst viele Menschen entlang der Ufer einzubinden und auch die Medien zu erreichen. Wir wollten möglichst viele für das Thema sensibilisieren. Kamerateams erwarteten uns an vielen Orten. In Ulm schwamm die baden-württembergische Umweltministerin Thekla Walker zusammen mit mir, in Wien empfing mich ihre österreichische Kollegin Leonore Gewessler. Es gab Empfänge mit Vorträgen und Musik, Naturspaziergänge, Kajakfahrten, Schwimmaktionen. Und wir machten Clean-ups, sammelten also Müll.

 

Was können wir tun, um unsere Flüsse besser zu schützen?

Im Grunde kann jede und jeder Einzelne einen wichtigen Beitrag leisten. Zum Beispiel Plastikmüll reduzieren und auf Mikroplastik verzichten, das auch in Zahnpasta, Duschgel und Kosmetik steckt. Es gibt Hersteller, die Mikroplastik nachhaltig ersetzt haben. Und: Autofahren reduzieren. Der Verschleiß der Reifen setzt viel Mikroplastik frei. Zudem müssen wir deutlich mehr Kunststoffabfälle recyceln. Auch Abwasser aus Kläranlagen ist häufig noch belastet, weil zum Beispiel Krankenhäuser, anders als Chemieunternehmen, von Auflagen zur Vorreinigung befreit sind. Das könnten wir ändern.

 

Was bedeutet Ihnen Wasser ganz persönlich?

Es gibt ein altes Sprichwort der Native Americans, das es auf den Punkt bringt: „Wasser ist die kostbarste Leihgabe der Natur.“ Mich fasziniert es seit jeher. Ich habe meine Frau beim Schwimmen kennengelernt. Alle meine Kinder schwimmen. Es ist das verbindende Element, unser Familienglück. Wasser ist für mich ein Rückzugsraum. Und ohne Wasser würde es uns nicht geben.

Andreas Fath ist Professor für Chemie an der Hochschule Furtwangen. Die Donau ist bereits der dritte Fluss, den er durchschwommen hat, und der längste. Im Kontext seiner Forschung zu Mikroplastik veröffentlicht er zahlreiche Artikel in Fachzeitschriften und Lehrbüchern. Durch seine sportliche Leistung und praxisnahe Wissensvermittlung hat er als „schwimmender Professor“ bereits in anderen Projekten Begeisterung für das Thema Gewässerschutz geweckt.

Auf der Projekt-Website www.cleandanube.org sind die gesamte Schwimmstrecke und die Schnelltestergebnisse einsehbar.

Aus der Stiftung – Bildung

Perspektive Donau

Mit Perspektive Donau entsteht entlang des zweitlängsten Flusses in Europa ein Netzwerk von Menschen, das sich für nachhaltige Projekte in Bildung, Kultur und Zivilgesellschaft einsetzt. Gefördert werden Programme, die mindestens zwei Kooperationspartner aus dem Donauraum einbeziehen. Parallel zum Projekt „Clean Danube“ wurden auch die „Danube Days“ unterstützt: 14-tägige Bildungsformate zum Thema Gewässerschutz für junge Menschen zwischen zehn und 25 Jahren.

Mehr unter: bwstiftung.de/donau