Essay
Wasser ist Leben

Es hat die Erde geformt und macht unser Leben auf dem blauen Planeten erst möglich: Wasser. Kaum ein anderes Element ist so wandelbar, so gut erforscht und doch so rätselhaft. Eine kleine Zeitreise mit dem Wasser – vom All bis zu den Ozeanen.

Nina Schick
Lesedauer: 3 Minuten

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Man sagt, es brauche Abstand, um Dinge klarer zu sehen. Und niemand hat so viel Abstand von den Dingen auf der Erde wie Menschen, die ins All fliegen. Astronautinnen und Astronauten lassen das irdische Leben hinter sich und blicken zurück auf die Erde. Dieser Blick, so scheint es, berührt Menschen aus allen Kulturen in gleicher Weise: Es klingt fast poetisch, wenn Raumfahrende berichten, wie zerbrechlich und schön unser Planet aussieht – und wie demütig dieser Anblick sie werden lässt. Der erste Mensch, der die Erde als Kugel sah, umgeben von der Schwärze des Weltalls, war der Fliegermajor Juri Gagarin. 1961 brachte der sowjetische Kosmonaut von seiner Reise das Bild vom blauen Planeten mit. Diesen Begriff nahm auch der aus Künzelsau stammende Astronaut Alexander Gerst auf, als er 2017 über seine erste Weltraummission sagte: „Ich dachte, der Weltraum sei ein besonderer Ort. (…) Aber der wirklich, wirklich besondere Ort darin, das ist unser einzigartiger blauer Heimatplanet.“

Ihr Blau erhält die Erde, wie sie heute ist, von ihren fünf Ozeanen. Arktischer, Atlantischer, Indischer, Pazifischer und Antarktischer Ozean bedecken zusammen mit ihren Nebenmeeren 71 Prozent der Erdoberfläche. Einzigartig macht unseren Planeten das Leben auf ihm – das einzige im Universum, von dem wir wissen. Und beides hängt miteinander zusammen: Ohne Wasser gäbe es kein Leben auf der Erde. Leben entstand vor Milliarden Jahren im Wasser, und alles Leben braucht bis heute Wasser. Lebewesen leben im, vom und mit dem Wasser; sie bestehen zum großen Teil aus Wasser. Ohne Wasser gibt es kein Wachstum, keine Bäche, Flüsse, Seen und Meere, keine Vielfalt an Flora und Fauna.

Aber wieso ist ausgerechnet die Erde so stark von Wasser geprägt, warum konnte genau hier so viel Leben entstehen? „Was kosmische Maßstäbe angeht, hat die Erde gar nicht so viel Wasser“, sagt Mario Trieloff. Als Professor für Geo- und Kosmochemie forscht er an der Universität Heidelberg zur Beschaffenheit von Asteroiden und zur Datierung von Meteoriteneinschlägen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Trieloff schildert die Entstehung der Erde, von Wasser und Leben so geduldig, verständlich und plastisch, dass er auch Laien in seinen Bann schlägt. Er erzählt vom Jupitermond Europa, unter dessen Eiskruste ein bis zu hundert Kilometer tiefer Ozean vermutet wird. Das ist fast zehnmal tiefer als die tiefste Stelle im Meer auf der Erde, der elf Kilometer tiefe Marianengraben im Pazifik. Der wesentlich kleinere Mond hat also deutlich mehr Wasser als die wesentlich größere Erde – vielleicht sogar zu viel. „Die Erde macht besonders, dass die für Leben notwendigen Elemente nicht nur vorkommen, sondern dass es sie auch im richtigen Maß gibt“, sagt Trieloff.

Die Erfahrung, die Erde vom All aus zu betrachten, bewegt Raumfahrende aller Nationen. „Und was ich dann sah“, sagte der erste deutsche Astronaut, Sigmund Jähn, „war totale Glückseligkeit: unsere Erde, in leuchtendes Blau gehüllt.“ Copyright: NASA

Wie das Wasser auf die Erde kam

Wie kam es zu dieser idealen Mischung? Beginnen wir bei den Einzelteilen. Da ist das Wasser, dessen chemische Formel fast jeder kennt: H2O, zwei Wasserstoffatome und ein Sauerstoffatom. An Wasserstoff herrschte im Universum nie Mangel, seit kurz nach dem Urknall vor etwa 13,8 Milliarden Jahren gibt es ihn in riesigen Mengen. „Den Sauerstoff muss man erbrüten“, sagt Mario Trieloff und meint damit: Die schwereren Elemente wie Helium, Kohlenstoff und Sauerstoff entstehen durch Kernverschmelzungen in den stellaren Himmelskörpern. Bei mehr als zehn Millionen Grad und unter hohem Druck fusionieren die Atomkerne und werden freigesetzt, wenn das Leben eines Sterns endet. Die Wasserstoff- und Sauerstoffatome treffen aufeinander, vereinigen sich zu Wassermolekülen und treiben im All umher. Wie das Wasser aber letztlich auf die Erde kam, darüber diskutieren Fachleute bis heute. Denn auch wenn sie im kosmischen Maßstab nicht viel Wasser hat, so hat sie doch viel im Vergleich zu den Planeten, die ihr ähnlich sind: Mars, Merkur und Venus.

Im Laufe der Jahrmillionen waren die Wassermoleküle nicht mehr nur frei im Weltraum unterwegs, sie setzten sich als Eis erst auf kleinen, dann immer größeren Teilchen und Körpern fest. Auch diese entstanden durch explodierende Sterne, die ihre Staubpartikel im All verstreuten. Aus diesem Weltraumstaub ballten sich allmählich die Planeten zusammen, vor rund 4,5 Milliarden Jahren auch die Erde, aus ihm entstand auch alles weitere Leben. Der Satz, der Mensch sei gemacht aus Sternenstaub, klingt poetisch und ist doch reine Wissenschaft.  

Bei der Entstehung der Erde halfen wahrscheinlich auch Kleinplaneten mit einem besonders hohen Wasseranteil mit – dies ist eine der neuesten Erkenntnisse aus Trieloffs Forschung. Sie schlugen auf der Erde ein, verschmolzen mit ihr und brachten einen Wassergehalt von bis zu 20 Prozent mit. Doch zunächst war die Erde zu heiß für flüssiges Wasser. Erst vor vier Milliarden Jahren kühlte sie sich ab, der Wasserdampf kondensierte, regnete über Millionen von Jahren ab und bildete die Ozeane. Der blaue Planet war geboren.

Wasser in flüssiger Form, dazu die richtige Größe des Planeten – das sind die zwei Faktoren, die dafür sorgen, dass das Wasser auch auf der Erde bleibt, wie Mario Trieloff erklärt. Der Merkur: zu klein, um leichtere Gase zu halten. Der Mars: verlor sein Wasser wohl, als sich Wassermoleküle spalteten und der Wasserstoff ins All entwich. Die Venus, etwa gleich groß wie die Erde und mit großen Mengen Wasser ausgestattet, aber: zu nah an der Sonne, so dass ein galoppierender Treibhauseffekt in der Frühzeit des Planeten das Wasser verdampfen ließ. Wäre die Erde also kleiner oder näher an der Sonne, wäre sie entweder erkaltet oder all ihr Wasser wäre verdampft. Leben, wie wir es kennen, wäre dann auf der Erde nicht möglich.

„Wasserhelden“ bei der Arbeit: Das Projekt der Heidelberger SRH Hochschule, das von der Baden-Württemberg Stiftung gefördert wird, richtet sich an Grund- und Vorschulklassen. An Bächen in der Region untersuchen sie die Qualität des Wassers und erforschen, welche Lebewesen hier beheimatet sind – und wie der Mensch Bäche, Flüsse und Seen verändert. Copyright: Schreiber Pötter

Doch wann, wo und wie genau ist das erste Leben auf dem blauen Planeten entstanden? Was macht das Element so einzigartig? Und wie kann man Kinder und Jugendliche inspirieren, Wasser schützen zu lernen? Lesen Sie den großen Essay im Magazin.

Aus der Stiftung – Bildung

Talent im Land

Das Stipendienprogramm Talent im Land unterstützt seit 2003 begabte Schülerinnen und Schüler, die Hürden zu überwinden haben. Finanzielle Förderung, Seminare und Beratung helfen den Jugendlichen auf ihrem Weg zum Abitur oder zur Fachhochschulreife. Die Sommerakademie 2022 stand im Zeichen des Wassers: des Stoffes, „der das Leben zusammenhält“.

Mehr unter: talentimland.de