Francesco und Aurelio Ingrassia, Bäcker

Isabel Stettin
Lesedauer: 1,5 Minuten

"Jeder Betrieb braucht eine Seele. Wir wollen ein Gefühl von Heimat vermitteln, von Tradition und Leidenschaft fürs Handwerk."
Francesco und Aurelio Ingrassia, Biobäcker, Stuttgart
L

„Lern bloß was Gescheites, werd kein Bäcker“, das hatte Aurelio Ingrassia, 63, seinem Sohn Francesco lange geraten: Mit 14 Jahren war Aurelio aus seiner Heimat Sizilien nach Baden-Württemberg gekommen und begann hier eine Lehre. Im Jahr 2007 übernahm er die Bäckerei Königsbäck in Stuttgart – und entschied sich für seinen ganz eigenen Weg: mit nur einer Filiale und einem kleinen Sortiment statt Masse. Er verbannte Backmischungen und künstliche Zusätze, setzte stattdessen auf Bioland-Zutaten. Francesco Ingrassia, 32, studierte derweil, arbeitete für einen internationalen Modekonzern. Doch was ihm bei der Arbeit fehlte, war Glaubwürdigkeit. Nach dem Brand in einer Textilfabrik in Bangladesch mit mehr als 100 Toten merkte der Bäckerssohn: „Das ist nicht mehr meine Welt.“ Als Handwerker wollte er die volle Verantwortung übernehmen, nachvollziehen, woher all die Rohstoffe stammen, faire Produkte schaffen. Er ließ sich in Berlin ausbilden und machte Station in Südafrika. Gemeinsam mit seinem Vater verbindet er seit 2016 traditionelles Handwerk mit modernen Arbeitsstrukturen. Neben ihren Brezeln und Brötchen verkaufen sie Roggensauerteigbrot oder Focaccino – und verbinden schwäbische Seele mit italienischem Herz.

DIE BACKSTUBE DER ZUKUNFT

Die Backstube der Zukunft ist für Francesco Ingrassia offen einsehbar: „Wir wollen das Handwerk sichtbar machen, Transparenz schaffen.“ Von Café und Verkaufsraum aus fällt der Blick direkt auf fünf junge Männer, die Brezeln schlingen. Mehr als 1.500 solcher Brezeln wandern am Tag über die Theke – immer frisch gebacken. Gute Zutaten und viel Zeit stehen hinter den Produkten, das Mehl reift wochen-, der Teig stundenlang. Hinter den Öfen stehen Edelstahlbehälter, die Fermentationsanlage ist das Herzstück der Backstube. Die Bäcker formen die Brezeln und Brötchen, dann wandern die Teiglinge für mindestens 24 Stunden in den „Gärschrank“ – und anschließend in den Ofen. Nachtschichten gibt es deshalb nicht mehr. „Für uns ist es aufgrund der sozial verträglichen, flexiblen Arbeitszeiten leichter, Mitarbeiter zu finden“, sagt Francesco Ingrassia. 20 Mitarbeitende sind im Team, die „Hybridbäckerinnen und -bäcker“, wie er sie nennt, verkaufen auch selbst – oder beantworten Fragen der Kundinnen und Kunden. „Wir wollen uns nicht hinter dem Gebäck verstecken, sondern Nähe schaffen.“

 

 

Emmanuel ist aus Nigeria geflohen und hat das Backen im Betrieb erlernt.
1.500 bis 2.000 Brezeln gehen täglich über den Tresen.
Die Liebe zum Handwerk ist überall sichtbar.
Die Teiglinge werden über Nacht fermentiert, bevor sie in den Ofen kommen.
Neben Brezeln und Brötchen wandern auch Roggenbrot oder Focaccino über die Theke.
Alles beginnt mit dem richtigen Mehl: In Stuttgarts erster vollzertifizierter Bioland-Bäckerei ist es regional.
Schwäbische Seele, italienisches Herz. Vater Aurelio und Sohn Francesco Ingrassia.
Der offene Blick vom Verkaufsraum in die Backstube.
Jeder packt mit an, wechselt zwischen Backstube und Verkaufstheke.
Das Roggensauerteigbrot Etna Lavakruste mit sizilianischem Hartweizen.