Perfekt geplant – oder einfach gemacht?

Das Programm PUSH DICH! ermutigt Jugendliche, Kreativprojekte in die Tat umzusetzen. Drei Beispiele und drei Tipps, wie man sein eigenes Ding durchzieht!

Elisa Holz
Lesedauer: 6 Minuten

Die Schülerinnen Svea (links) und Hana aus Bietigheim-Bissingen wollen hoch hinaus. Die Kletter-AG hat ihnen gezeigt, dass man am Fels viel über sich und andere erfahren kann.

Bilder eines Aufstiegs

Wer hätte das gedacht? Dass Hana (14) mal kopfüber an einer Wand hängt und nicht starr ist vor Angst, sondern sogar lachen muss? Und dass Svea (13) grundsätzlich lieber den schwereren Weg wählt? Oder dass beide freiwillig länger im Unterricht bleiben, obwohl sie auch nach Hause gehen könnten? Hana und Svea jedenfalls nicht, bevor sie und ein paar Klassenkameraden zusammen mit ihrem Lehrer Steve Burgstett im letzten Jahr eine Kletter-AG auf die Beine gestellt haben. Gemeinsam mit zehn weiteren Schülerinnen und Schülern einer Gemeinschaftsschule in Bietigheim-Bissingen sind sie jede Woche zu den Hessigheimer Felsengärten gefahren, um zu klettern und sich dabei gegenseitig professionell zu fotografieren. Es ging um schönes Licht, spannende Perspektiven, den passenden Hintergrund und die Bildbearbeitung. Die Fotos hat die Kletter-AG auf Instagram veröffentlicht. Dort sieht man manchmal gespannte, aber meist sehr entspannte Schülerinnen und Schüler im Fels  – über ihnen der Herbsthimmel und ziemlich weit unter ihnen der Neckar. „Es gibt verschiedene Wege nach oben“, sagt Svea, die hoch hinaus will. An Mut fehlt es ihr nicht, auch nicht an Ehrgeiz. „Je schwieriger, desto besser. Wenn man oben ist, kann man seinen Erfolg dann so richtig feiern“, erzählt sie. Hana hat der Weg nach oben mehr Überwindung gekostet. Wegen ihrer Höhenangst. „Ich habe geübt, nach unten zu schauen. Mit jedem Mal wurde die Angst ein bisschen kleiner“, sagt Hana. Das Wichtigste aber, das sie gelernt haben, war, sich und einander zu vertrauen. Nur wer gut gesichert ist, kann sich ganz in ein Abenteuer fallen lassen.

Ambition braucht Mut. Und ambitioniert ist das Projekt der Film-AG von Justus und Agam. Beide sind bei der Produktion einer sechsteiligen Krimiserie über sich hinausgewachsen.

Krimi mit Folgen

Es ist eine Geschichte, wie sie eigentlich nur das Leben schreiben kann – oder Menschen mit viel Fantasie. Ein Mädchen aus gutem Hause verliebt sich in einen Badboy, der aus eigentlich ehrenwerten Gründen auf die schiefe Bahn gerät. Doch genug gespoilert, denn die sechsteilige Serie Criminal Love ist noch nicht veröffentlicht. Die Pandemie hat eben nicht nur Hollywood einen Strich durch die Rechnung gemacht, sondern auch die Produktion der Film-AG an der Waldorfschule Uhlandshöhe in Stuttgart ziemlich durcheinandergebracht. 18 Schülerinnen und Schüler haben sich für das aufwendige Filmprojekt zusammengetan, jede und jeder mit ihren und seinen Talenten und Vorlieben. „Es ist toll zu sehen, wie wirklich alle für das Projekt brennen“, sagt Justus (17), der das Projekt initiiert hat. Drehbuch, Kamera, Licht, Location, Requisite, Regie, Schauspiel, Postproduktion: So eine Serie macht ziemlich viel Arbeit – und ziemlich viel Spaß. „Eine tolle Erfahrung, Schauspielern war schon immer mein Traum“, sagt Agam (16), die als das Mädchen aus gutem Hause vor der Kamera steht. Der Filmfan Justus arbeitet lieber hinter der Kamera: „Im Film gibt es so viele – auch technische – Möglichkeiten, eine Geschichte zu erzählen“, sagt er. Mit der Krimiserie haben sie sich alle „etwas Großes an den Hals gehängt“, wie Justus zugibt. Es tun sich immer wieder neue Herausforderungen auf und Probleme, für die sie gemeinsam eine Lösung finden müssen. Das schweißt zusammen und ist für alle eine gute Übung in Improvisation. Die große Hoffnung der Film-AG ist momentan, dass sie bald wieder zurück ans Set können. Damit Criminal Love noch in diesem Jahr im Internet auf Seendung gehen kann – samt Happy End.

Jonas (links) und Patrick Willi stehen zu ihrer neuen Leidenschaft, die ein alter Brauch ist: Goislschnalzen. Für die Brüder aus dem Allgäu ist das mutige Bekenntnis zur Tradition eine Selbstverständlichkeit.

Auf Zack

Brauchtum in Süddeutschland kommt nicht immer leise daher. Bestes Beispiel: das „Goislschnalzen“. Hierfür schwingen die Schnalzer eine lange Peitsche, an deren Ende ein geflochtener Bast hängt. Dieser erzeugt einen ohrenbetäubenden Knall nach dem Überschallprinzip, sobald der Schnalzer die Goisl ruckartig in die entgegengesetzte Richtung zieht. „Wir haben das im letzten Jahr zum ersten Mal gesehen und fanden das ziemlich cool“, erzählt Jonas (15). Zusammen mit seinem Bruder Patrick (13) und drei anderen Burschen versuchten sie sich in einem eigenen Projekt an diesem „kracherten“ Brauchtum – unterstützt vom Trachtenverein ihres Heimatorts Wangen im Allgäu. „Es ist eigentlich gar nicht so schwierig“, erklärt Patrick. Man brauche lediglich Rhythmusgefühl, Kraft, Ausdauer und vor allem die richtige Technik. Für einen Laien mag das anspruchsvoll klingen, aber glaubt man Jonas und Patrick, hat es nach einem eintägigen Intensiv-Workshop unter kundiger Anleitung schon recht ordentlich geknallt. Danach haben sie jede Woche einmal im Trachtenverein geübt – und auch zu Hause. „Das ist kein Problem, wir haben hier keine Nachbarn“, sagt Jonas und lacht. Ihm und seinem Bruder hat es richtig Spaß gemacht, eine alte Tradition wiederaufleben zu lassen. Vielleicht auch, weil Brauchtum unter den Freunden und in der Klasse der Brüder nicht unbedingt angesagt ist. Beatboxen machen viele, aber mit einer Peitsche im Takt von Akkordeonmusik zu schnalzen – das ist schon besonders nice. Inzwischen haben sich die Brüder eigene Goisln bestellt. Der Plan ist es, in den örtlichen Trachtenverein einzutreten, in dem auch die Großeltern aktiv sind. So schließt sich  – lautstark – ein Kreis.

Aus der Stiftung – Gesellschaft & Kultur
PUSH DICH!


Mut kommt beim Machen! Und das Programm PUSH DICH!macht so einiges möglich. Ob Urban Gardening, Tanz, Gaming oder Cosplay: Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren, die Spaß an Kunst und Kultur haben, können mit Freundinnen und Freunden ihr eigenes Kreativprojekt umsetzen – mit finanzieller Unterstützung der Baden-Württemberg Stiftung. Mehr Infos unter:
www.push-dich-bw.de

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