Es ist fast en vogue, über die sozialen Medien zu schimpfen, aber mir erscheint das manchmal als Ausrede, um nicht aktiv werden zu müssen. Was kann man tun, um unter diesen Bedingungen besser zu kommunizieren? Könnte man etwa mit Blogs und Podcasts mehr Menschen erreichen?
CB Ganz ehrlich: Es werden doch schon alle Kanäle von uns bespielt. Und trotzdem müssen wir feststellen: Die Zahl der Menschen, die sich für Wissenschaft interessieren, verändert sich seit Jahren kaum. Laut Statista sind das rund zehn Millionen Menschen in Deutschland. Wir sind aber 80 Millionen. 32 Millionen geben an, dass sie gar kein Interesse an Wissenschaft haben. Es gibt also sehr viele, die sich nicht aktiv informieren und die wir mit unseren Posts und Blogs nicht erreichen. Das ist schwierig in einer Situation wie dieser, in der wir wichtige Entscheidungen treffen müssen: zu den Corona-Beschränkungen, zu Impfungen und so weiter. Mit wissenschaftlichen Blogs erreichen wir vor allem ein akademisches Publikum. Das sind jedoch zu wenige. Wir können aber auch nicht als Streetworkerinnen und Streetworker ausströmen, um vermeintlich alle zu erreichen.
JG Die Kommunikation wird noch nicht unbedingt besser, wenn man mehr Menschen erreicht. Es geht darum, die Formate noch genauer auf Anlässe und Zielgruppen abzustimmen. Wer sich nicht für Wissenschaft interessiert, ist nicht automatisch Wissenschaftsfeind. Aber natürlich müssen wir uns fragen, wie wir auch nicht akademisch trainierte Publika erreichen können. Soziale Medien können helfen; ebenso unterhaltsame Formate. Wobei ja noch zu definieren wäre, was überhaupt als unterhaltsam empfunden wird. Geht es da tatsächlich nur um Heldenreisen und Spektakel und um immer kürzere Aufmerksamkeitsspannen? Ich finde, wir unterschätzen unser Publikum, wenn wir zu schnell davon ausgehen, dass eine Auseinandersetzung mit den Prozessen, Spannungen und Widersprüchen von Wissenschaft nur etwas für Eingeweihte ist.
CB Das Problem dabei ist: Umfragen zeigen, dass die Bevölkerung deutlich mehr Vertrauen in wissenschaftliche Expertinnen und Experten hat als in die Politik. Deshalb haben wir schon eine Verantwortung, Erkenntnisse gut verständlich zu vermitteln. In den USA beispielsweise spielt Wissenschaftskommunikation schon im Studium eine viel größere Rolle als hier, da wird das direkt mit eingeübt. Es gibt verpflichtende Kurse, in denen die Studierenden lernen, wie sie ihr Thema kommunizieren.