Frau Bauer, würden Sie sich eher als Optimistin oder als Pessimistin bezeichnen?
THERESIA BAUER: Ich bin Optimistin und das ist für mich grundlegend. In Krisen versuche ich immer die Chancen zu sehen. Ich wollte schon immer die Welt um mich herum verbessern und selbst mitgestalten. Ohne Optimismus hätte ich keine Politik machen können und auch anderes nicht gewagt.
Und worauf gründet sich diese Einstellung?
T.B. Auf der Überzeugung, dass Veränderung möglich ist, dass jede und jeder einen Unterschied machen kann. Krisen – ob persönliche oder gesellschaftliche – können gewaltige positive Energie freisetzen.
Wann haben Sie persönlich so eine energetisierende Krise erlebt?
T.B. Während und nach meiner Kandidatur für das Amt der Oberbürgermeisterin in Heidelberg – auch wenn das mehr ein Rückschlag als eine Krise war.
Die Wahl haben Sie gegen Amts inhaber Eckard Würzner verloren.
T.B. Ja, das war eine lehrreiche und beeindruckende Erfahrung. Nicht gewählt zu werden, ist demokratische Normalität, aber auch eine persönliche Niederlage. Überrascht haben mich die Reaktionen in meinem Umfeld, die Unsicherheit. Scheitern ist tabuisiert. Das erschwert einen unverkrampften Umgang und dann auch den Blick auf die Chancen. Dabei war es für mich definitiv die Chance, noch einmal neu durchzustarten und mit einer neuen Perspektive – jenseits der politischen Bühne – etwas in Bewegung zu setzen.
Viele blicken pessimistisch in die Zukunft: Kriege, Krise, Klimawandel – ist die gegenwärtige Lage besonders brenzlig?
T.B. Ja, wir durchleben mehrere Krisen gleichzeitig. Mag sein, dass mancher da verzagt. Ich kenne aber auch die gegenteilige Reaktion: Jetzt kommt es auf uns an, darauf zu beweisen, dass wir es schaffen. Diese Haltung ist unendlich wichtig. Wir erleben, wie die krisenhafte Grundstimmung genutzt wird, um das Vertrauen in unsere Demokratie zu erschüttern. Populisten von extrem links, aber vor allem von extrem rechts, heizen das Misstrauen in unsere Institutionen an, mit dem erklärten Ziel, unsere liberale Demokratie zu destabilisieren.
Haben wir die Demokratie zu lange als Selbstverständlichkeit hingenommen?
T.B. Zweifellos. Aber da kommt was in Bewegung. Immer mehr Menschen verstehen, dass unsere Demokratie ohne Beteiligung in Schieflage gerät. Die Bereitschaft wächst, nicht länger zuzuschauen bei den Versuchen, die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie zu untergraben. Das ist es, was wir jetzt brauchen: Bürgerinnen und Bürger, die Verantwortung übernehmen: eine starke, engagierte Zivilgesellschaft.