- Theresia Bauer
Wie stiften wir Optimismus?

Theresia Bauer ist seit Juni 2024 neue Geschäftsführerin der Baden-Württemberg Stiftung. Sie ist überzeugt: Wenn Menschen die Gesellschaft mitgestalten, gewinnen sie an Zuversicht – und das macht die Demokratie resilienter. Stiftungen spielen dabei eine zentrale Rolle.

Frau Bauer, würden Sie sich eher als Optimistin oder als Pessimistin bezeichnen?

THERESIA BAUER: Ich bin Optimistin und das ist für mich grundlegend. In Krisen versuche ich immer die Chancen zu sehen. Ich wollte schon immer die Welt um mich herum verbessern und selbst mitgestalten. Ohne Optimismus hätte ich keine Politik machen können und auch anderes nicht gewagt.

Und worauf gründet sich diese Einstellung?

T.B. Auf der Überzeugung, dass Veränderung möglich ist, dass jede und jeder einen Unterschied machen kann. Krisen – ob persönliche oder gesellschaftliche – können gewaltige positive Energie freisetzen.

Wann haben Sie persönlich so eine energetisierende Krise erlebt?

T.B. Während und nach meiner Kandidatur für das Amt der Oberbürgermeisterin in Heidelberg – auch wenn das mehr ein Rückschlag als eine Krise war.

Die Wahl haben Sie gegen Amts inhaber Eckard Würzner verloren.

T.B. Ja, das war eine lehrreiche und beeindruckende Erfahrung. Nicht gewählt zu werden, ist demokratische Normalität, aber auch eine persönliche Niederlage. Überrascht haben mich die Reaktionen in meinem Umfeld, die Unsicherheit. Scheitern ist tabuisiert. Das erschwert einen unverkrampften Umgang und dann auch den Blick auf die Chancen. Dabei war es für mich definitiv die Chance, noch einmal neu durchzustarten und mit einer neuen Perspektive – jenseits der politischen Bühne – etwas in Bewegung zu setzen.

Viele blicken pessimistisch in die Zukunft: Kriege, Krise, Klimawandel – ist die gegenwärtige Lage besonders brenzlig?

T.B. Ja, wir durchleben mehrere Krisen gleichzeitig. Mag sein, dass mancher da verzagt. Ich kenne aber auch die gegenteilige Reaktion: Jetzt kommt es auf uns an, darauf zu beweisen, dass wir es schaffen. Diese Haltung ist unendlich wichtig. Wir erleben, wie die krisenhafte Grundstimmung genutzt wird, um das Vertrauen in unsere Demokratie zu erschüttern. Populisten von extrem links, aber vor allem von extrem rechts, heizen das Misstrauen in unsere Institutionen an, mit dem erklärten Ziel, unsere liberale Demokratie zu destabilisieren.

Haben wir die Demokratie zu lange als Selbstverständlichkeit hingenommen?

T.B. Zweifellos. Aber da kommt was in Bewegung. Immer mehr Menschen verstehen, dass unsere Demokratie ohne Beteiligung in Schieflage gerät. Die Bereitschaft wächst, nicht länger zuzuschauen bei den Versuchen, die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie zu untergraben. Das ist es, was wir jetzt brauchen: Bürgerinnen und Bürger, die Verantwortung übernehmen: eine starke, engagierte Zivilgesellschaft.

"Immer mehr Menschen verstehen, dass unsere Demokratie ohne Beteiligung in Schieflage gerät. Die Bereitschaft wächst, nicht länger zuzuschauen bei den Versuchen, die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie zu untergraben."

Sie kommen aus dem Landtag, der parlamentarischen Bühne, in die Stiftung und wirken jetzt eher im Hintergrund. Welche Rolle spielen Stiftungen für die Demokratie?

T.B. Wir sind Ermöglicher. Wir schaffen Räume für Engagement, für das Erproben von neuen  Lösungen, für das Zusammenfinden unterschiedlicher Kräfte und Perspektiven. Wir stärken diejenigen, die gemeinsam etwas Neues für unsere Gesellschaft schaffen wollen. Demokratie lässt sich nicht auf Regierung, Verwaltung und Parteien delegieren. Sie lebt davon, dass alle miteinander Verantwortung für das Gemeinwesen tragen, für Freiheit, Toleranz und Respekt, für Fairness und Solidarität. Besonders lebendig ist Demokratie dann, wenn wir erfahren, dass wir jenseits von Parteigrenzen, von Generation, Geschlecht, Herkunft oder Geldbeutel gemeinsame Werte haben, für die es sich einzutreten lohnt. Stiftungen können Gelegenheiten und Orte schaffen, wo man sich jenseits der üblichen Rollen und der gewohnten Blasen aufeinander einlässt. Das stärkt die Pfeiler unserer Demokratie.

Was meinen Sie mit Pfeilern der Demokratie?

T.B. Wir brauchen Institutionen, die Verantwortung übernehmen. Dazu zählen eine unabhängige und qualitätvolle Medienlandschaft, eine freie und freche Kunst- und Kulturszene, eine innovative und diskursfreudige Wissenschaft, die der Gesellschaft Impulse geben und auch mal irritieren. Wir brauchen faire Bildungsinstitutionen, in denen sich Menschen entwickeln können. Stiftungen leisten auf all diesen Gebieten einen wichtigen Beitrag. Die Baden-Württemberg Stiftung hat den Fokus in besonderer Weise auf unserem eigenen Land. Das hat sonst kein Bundesland in dieser Form und das ist ein riesiges Geschenk. Für mich ist diese Aufgabe auch ein Privileg und eine große Verantwortung.

In den vergangenen Jahren ist der Eindruck entstanden, die Gesellschaft driftet immer weiter auseinander. Wie finden wir wieder zueinander?

T.B. Die Erfahrung, gemeinsam gestalten zu können, prägt die Identifikation mit der Gesellschaft. Ein persönliches Beispiel: Als Studentin hatte ich gemeinsam mit anderen den Eindruck, dass die im Studium angebotenen Veranstaltungen nicht die Themen behandelten, die uns wirklich umtrieben. Wir haben unsere Kritik in Initiative umgewandelt: Wir haben eine Sommeruniversität gegründet, unsere eigenen Themen gesetzt, mit wissenschaftlichen Großveranstaltungen und kleinen Seminaren für wissenschaftliche Kontroversen.

Geht es um die Erfahrung der eigenen Wirksamkeit in der Welt?

T.B. Ja, selbst zu handeln ist grundlegend für unser Zusammenleben und unsere Demokratie. Man kann überall Verantwortung tragen und Dinge zum Positiven verändern: im Sportverein, in einer Partei oder in der kirchlichen Jugendarbeit. Gesellschaft selbst zu gestalten ist intensiver als sie nur zu konsumieren oder Zaungast zu sein. Und eine Gesellschaft gestaltender Individuen ist aktiver, resilienter …

… und zuversichtlicher?

T.B. Wenn Menschen sich für das Tun begeistern und erfahren, dass sie wirksam sein können und Zukunft gestaltbar ist, dann stiftet das Optimismus. Und noch dazu macht es Freude, sich für einen Zweck zusammenzuschließen.

Sie sind jetzt Geschäftsführerin einer jüngst evaluierten Stiftung und haben damit gleich einen Hausaufgabenzettel an die Hand bekommen.

T.B. Die Evaluation hat uns spannende und auch herausfordernde Impulse mit auf den Weg gegeben: das inhaltliche Profil der Stiftung zu schärfen, die wichtige Arbeit noch sichtbarer zu machen und die Stiftung von der Politik unabhängiger zu machen. Das ist ein klarer Handlungsauftrag und den gehen wir jetzt gemeinsam an – motiviert und optimistisch! •