Städte wie Schwämme
Das Konzept Schwammstadt hat derzeit Hochkonjunktur. Metropolen wie Rotterdam sind mit Dachbegrünung und Hochgärten schon zu einem guten Teil Schwammstädte, aber auch das Schumacher Quartier in Berlin oder ein vom Karlsruher Ingenieurbüro BIT geplantes neues Wohnviertel in der Kaiserstuhlgemeinde Riegel werden nach diesem Prinzip konzipiert. In Winnenden entsteht ein Wohnviertel mit Rückhaltebecken für Regenwasser und in Schwäbisch Gmünd ein Park nach dem Schwammstadtprinzip. Es geht bei dem Konzept, so beschreiben es die Karlsruher BIT-Ingenieure, im Wesentlichen um diese Aspekte: Begrünen, Kühlen, Verdunsten, Verschatten und Rückstrahlen. Begrünte Flächen, Dächer und Fassaden speichern Regenwasser und verdunsten es bei Hitze. Frischluftschneisen und Bäume kühlen die Luft zusätzlich. Sonnenschutzelemente an Gebäuden wiederum spenden Schatten und helle Häuserfassaden reflektieren die Sonneneinstrahlung. Hinzu kommt das sogenannte Multicodieren: Knappe Flächen in Innenstädten werden gleichzeitig für möglichst viele Gruppen nutzbar gemacht. So können beispielsweise grüne Dächer neben ihrer eigentlichen Funktion zur biologischen Vielfalt beitragen. Grünflächen können gleichzeitig Spielplätze und Flächen zur Versickerung von Regenwasser sein.
Die Gelegenheit, das Konzept im großen Stil in Mannheim umzusetzen, bot sich im Jahr 2016, als die US-Armee ihre Truppen abzog. Eine mehr als 500 Hektar große Fläche im Stadtgebiet wurde frei – dort, wo unter anderem die US-Kasernen Franklin, Spinelli und Taylor standen. In den vergangenen Jahren wurden die Flächen aufwendig entsiegelt und rückgebaut. So entstand die Frischluftschneise, die Mannheim nun an heißen Tagen kühlt. Zudem wurde die Spinelli-Kaserne mit Biotopen und Wasserversickerungsflächen zur Heimstatt für klimafreundliches Wohnen und zu einem Naherholungsgebiet. In nur sechs Jahren wurde das gesamte Gelände umgestaltet. Ein riesiger Kraftakt. Geholfen hat der fixe Termin der Bundesgartenschau (BUGA), die von April bis Oktober 2023 einen Teil des freigewordenen Areals bespielte. Und auch die Finanzierungshilfen, die mit dem Großereignis verbunden waren, gaben dem Projekt den notwendigen Schwung. „So eine Gelegenheit hat nicht jede Stadt“, sagt Stadtplaner Jens Weisener.
Pünktlich zum Start der BUGA verwandelte sich die ehemalige Spinelli-Kaserne in ein großzügiges grünes Areal: knapp 70 Hektar Pflanzenvielfalt mit Bienenstöcken, kleinen Schotterflächen für Eidechsen und andere Kriechtiere. Zudem entstanden die ersten Wohneinheiten, mit ökologischen Baustoffen errichtet, mit begrünten Dächern und Fassaden. Zwischen den Wohnblocks und der grünen Freifläche liegen Versickerungsmulden, die das Wasser bei Wolkenbrüchen statt in die Kanalisation ins Grundwasser abtransportieren. Dabei war das Gelände für die Besucherinnen und Besucher der BUGA 2023 auf den ersten Blick vielleicht eine Enttäuschung. Ein Areal, flach wie ein Teller und mit nur ganz wenigen Bäumen, eine triste Vegetation, die je nach Jahreszeit ein wenig an eine Savanne erinnert. Doch das ist gewollt. „Nichts soll den Luftstrom von 12.000 Kubikmetern pro Sekunde bremsen“, erklärt Georg Pins. „Der entscheidende ökologische Wert ist das freie, unversiegelte Gelände.“