Würdet ihr eure Generation als besonders mutig bezeichnen?
EG Wenn ich mir die aktuellen Bewegungen so anschaue, Fridays for Future, Black Lives Matter, würde ich sagen: ja. Viele junge Menschen engagieren sich und wollen einen Unterschied machen. Wir lernen, kritisch zu denken, zu unserer Meinung zu stehen und andere Perspektiven einzunehmen. Bildung ist ein Privileg. Bildung bedeutet aber auch Druck und Verantwortung. Wir sehen, wir können mit unserem Verhalten einen großen Unterschied machen. Wir haben die Möglichkeit, heute schnell viele Menschen zu erreichen. Ich finde es gut, dass immer mehr Influencer YouTube und Instagram nicht nutzen, um Make-up-Tutorials zu zeigen, sondern um sich für wichtige Themen einzusetzen: gegen Rassismus oder Homophobie, für Klimaschutz und Feminismus.
AH Aber es sind noch zu wenige. Wer sich sichtbar und damit angreifbar macht, braucht Mut. Darum ist es so wichtig, zusammenzuhalten. Wir sind vernetzt wie keine andere Generation zuvor. Smartphones und soziale Medien sind uns vertraut. Sie machen es möglich, sich mit Menschen überall auf der Welt zu verbinden. Und je mehr sich zusammenschließen mit einem Anliegen, desto mehr lässt sich erreichen. Es ist zwar eine Phrase, doch sie stimmt einfach: Zusammen sind wir stärker!
TA Ich sehe die Entwicklung etwas kritischer. Jugendbewegungen gab es schon immer. Die Frage ist, was bleibt? Klar gibt es gute Impulse. Doch was mich sorgt, ist die andere Seite: Wenn ich mich im Schulbus umsehe, erschreckt es mich eher, wie viele über dem Bildschirm hängen, anstatt miteinander zu sprechen. Überhaupt nicht mutig sind für mich alle, die im Schutz der Anonymität ihre Meinung sagen, Videos abfällig kommentieren, Hasskommentare verbreiten. Wer selbst wenig überlegt, sich nur durch Influencer leiten lässt und anderen blind folgt, hat keinen Mut.
AH Natürlich gehört mehr Mut dazu, ganz allein etwas anzugehen: So wie Greta Thunberg, die mit einem Schild begonnen hat zu streiken und damit eine weltweite Bewegung losgetreten hat. Doch erst durch viele, die mitziehen, entsteht mehr Macht, etwas zu bewirken. Und auch das ist ein Akt von Mut: Leute zusammenzutrommeln und von etwas zu überzeugen. Auch ich habe mich bei Fridays for Future in einer örtlichen Gruppe engagiert. Und weiß, wie viel Engagement das erfordert.
EG Ich finde, als Teamplayer, in der Gemeinschaft, lässt sich mehr erreichen. Und jeder kann mit gutem Beispiel vorangehen …
TA Ich will nicht unbedingt ein Vorbild sein. Doch wenn ich merke, jemand traut sich nicht, obwohl er Potenzial hat, dann ermutige ich ihn. Banales Beispiel: wenn mein Sitznachbar sich nicht meldet, obwohl er die Antworten immer kennt. Das finde ich schade. Ihn motiviere ich immer. Oder meine Schwester, die jetzt zwölf ist. Zu ihr sage ich beim Lernen oft: „Du kannst das!“ Manchmal braucht es nur etwas Geduld – oder einen kleinen Anstoß von außen.