Talent im Land
Corona-Umfrage zum Home Schooling

Aufgrund der Corona-Pandemie durften viele Schüler:innen phasenweise nicht zur Schule gehen und mussten notgedrungen auf "schulisch angeleitetes Lernen zu Hause" beziehungsweise "Homeschooling" ausweichen. In einer Umfrage vom Schülerstipendienprogramm Talent im Land sollte erforscht werden, wie die betroffenen Stipendiat:innen diese Phasen erlebt haben.

Die Befragungen fanden im Zeitraum vom 26. April bis zum 20. Mai 2021 statt. Ziel war es, Bedürfnisse, Herausforderungen und Sorgen der Stipendiat:innen während des selbstorganisierten Lernens zu Hause zu identifizieren. Der erste Teil der Umfrage war eine statistische Erhebung, der zweite Teil bestand aus der Beschreibung des Erlebens im Verlauf der Zeit (freiwillige Angabe). Rund 120 Stipendiat:innen ab der 8. Klasse bis zum Abitur waren beteiligt.

Ergebnisse der Umfrage zum Corona-Lernen auf einen Blick

Die Zeit des selbstorganisierten Lernens zu Hause war für unsere Stipendiat:innen sowohl mit Chancen als auch mit Herausforderungen im privaten und schulischen Bereich verknüpft: 

  • Mehr Eigenverantwortung in Bezug auf das Selbst- und Zeitmanagement durch relativ flexibel gestaltbare Lernzeit zu Hause.
  • Beschleunigte Digitalisierung der Schulen (z.B. digitalen Lernplattformen zur Abhaltung von Video-Konferenzen, digitale Lernmaterialien). 
  • Geringes Kompetenz- und Selbstwirksamkeitserleben – sowohl in schulischen als auch in privaten Belangen. Die eigene Befindlichkeit sowie Zufriedenheit mit der Gesamtsituation wurde als geringer eingestuft als vor der Corona-Pandemie. 
  • Gefühl des Mangels an zentralen politischen Konzepten in Bezug auf die technische Ausstattung und Versorgung der Schülerschaft mit technischen Geräten. 
  • Belastungserfahrungen durch die wiederholten Schulschließungen und -wiedereröffnungen.
  • Starke Einschränkung zwischenmenschlicher Kontakte mit Peers in der Freizeit sowie fast vollständiges Erliegen von schulischem und außerschulischem Engagement aufgrund der Restriktionen.

Im Folgenden stellen wir einige der Ergebnisse im Detail vor. Die ausführlichen Ergebnisse können am Ende der Seite als PDF-Datei heruntergeladen werden.

Die komplette
Umfrage als PDF

Ergebnisse der Befragung

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29.3%

Fast ein Drittel der Befragten hatte keinen gut funktionierenden Internetzugang.

Themenfeld: Technische Ausstattung

29 % der Befragten geben an, zu Hause über keinen gut funktionierenden Zugang zum Internet zu verfügen. Insbesondere während der zweiten Phase des Homeschoolings wurden vermehrt Video-Konferenzen zur Vermittlung des Lernstoffes durchgeführt. Neben der bislang unzureichenden Versorgung der Schülerschaft mit kostenfreien technischen Leihgeräten von Seiten der Schulen (Stichwort Lernmittelfreiheit) ist der Netzzugang eine grundlegende Ressource digitalen Lernens. Die vermittelten Lerninhalte waren so nicht für alle Schüler*innen gleichermaßen zugänglich, womit dem Grundsatz der Zugänglichkeit zu Bildung nicht immer entsprochen werden konnte. 

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84.8%

hatten einen Laptop oder Computer zur alleinigen Nutzung zur Verfügung.

85 % der Befragten haben einen Laptop/Computer größtenteils zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. TiL bezuschusst allen Stipendiat:innen die Anschaffung eines Laptops, was zu diesem hohen Wertbeigetragen haben dürfte. Trotz dieses hohen prozentuellen Anteils berichteten einzelne Stipendiat:innen insbesondere des neu aufgenommenen Jahrgangs 2020, dass sie vor der Aufnahme in das Programm Talent im Land seit einem guten halben Jahr den Online-Unterricht per Smartphone verfolgten, da weder ein PC oder Laptop in der Familie vorhanden gewesen sei, noch die Schule ausreichend Leihgeräte für alle Schüler:innen zur Verfügung gestellt habe. 

„Ich habe unheimlich viel Zeit am Handy verbracht. Zu allem Überfluss habe
ich auch zu Beginn des Homeschoolings übers Handy am Unterricht teilgenommen.“
„Außerdem war das Internet oft weg, aus technischen Gründen, aber auch weil
Eltern nicht wollten, dass die Kinder die ganze Zeit am Handy sind; dann war aber natürlich auch das Internet für Homeschooling weg.“
„Viele Lehrer kennen sich mit der Technik nicht so gut aus - die Aufgaben, die
hochgeladen werden sind nicht geordnet bzw. sind nicht in der richtigen Reihenfolge.“
„Manchmal kommt es auch zu technischen Problemen (Mikrofon, Internet, Laptop
funktionieren nicht). Dadurch bilden sich insgesamt viele Lernlücken, die einen im Hinblick auf das Abitur stressen.“
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69.3%

fühlten sich selbstständiger als vor der Zeit des Fernlernens.

Themenfeld: Selbst- und Zeitmanagement

Einige der Stipendiat:innen hoben hervor, dass die relativ flexibel gestaltbare Lernzeit zu Hause zu mehr Eigenverantwortung in Bezug auf das Selbst- und Zeitmanagement beigetragen habe. Insbesondere werden in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, den Lernstoff im eigenen Tempo und zu selbstgewählten Lernzeiten zu er- und bearbeiten, als positiv hervorgehoben. Mehr als die Hälfte der Befragten ist überzeugt davon, in der Zeit des selbstorganisierten Lernens Kompetenzen erworben zu haben, die auch für die Zukunft von Nutzen sein können. 

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51.6%

waren in der Lage, ihren Tagesablauf so zu gestalten, dass sie gut lernen konnten.
 

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59.9%

haben nach eigener Einschätzung im Homeschooling viel gelernt, was ihnen in der Zukunft noch nützlich sein könnte.

„Ich fand es sehr angenehm, nicht in die Schule gehen zu müssen. Ich konnte die Aufgaben in meinem Tempo bearbeiten, musste nicht ständig ‘dumm rumsitzen’. […]
Ich habe es genossen auch mal im Bett zu lernen und viel mehr selbstständig zu machen, dadurch habe ich das Gefühl mich intensiver mit dem Stoff auseinander zu setzen und mehr zu behalten.“
„Als ich zu Hause war fand ich es nicht so schwierig. Ich komme ganz gut mit.
Es war ja bisschen anstrengend, weil wir immer viele Aufgaben bekommen haben und bis Zeitpunkt es abgeben mussten. Ansonsten war das gut, ich habe gelernt. Man wird selbständig und kann viele Aufgaben und Themen alleine schnell lernen.“
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77.6%

hatten Angst, Wissenslücken aufzubauen und schwächer zu werden.

Themenfeld: Selbstwirksamkeits- und Kompetenzerleben

Das eigene Kompetenz- und Selbstwirksamkeitserleben – sowohl in schulischen als auch in privaten Belangen – wurde von einem Großteil als gering eingestuft. Diese Einschätzung spiegelt sich sowohl im quantitativen als auch im qualitativen Teil der Befragung wider: So gaben 70 % der Befragten an, ihre Talente seien im schulisch angeleiteten Lernen nicht ausreichend gefördert worden. Ebenso wurden Gefühle der Überforderung, Angst vor schulischem Versagen und des Abgehängtseins in Bezug auf den Lernstoff formuliert. Viele Befragte beschrieben ihren Alltag im Homeschooling als monoton und belastend. 

„Ich habe viel Angst, dass ich nicht auf dem gleichen Stand bin wie die andere Schulkameraden, und dass ich viel schlechtere Noten habe als sie.
Ich bin verzweifelt und mir nicht sicher, habe zum Teil mein starkes Selbstvertrauen, das ich früher hatte, verloren und habe jetzt nicht mehr so viel Sicherheit.“
„Ich habe einfach das Gefühl, dass sich meine Noten durch den Lockdown verschlechtert haben, weil ich einfach überhaupt keine Motivation mehr habe...
Das frustriert mich mega, weil ich weiß, dass ich bessere Noten haben könnte, ich schaffe es aber einfach nicht mich dazu aufzuraffen etwas zu tun... Generell bin ich einfach unhappy.“
„Insgesamt finde ich, dass ich keine Lernrückstände durch das Onlineschooling habe, jedoch besteht die Schule nicht nur aus lernen.
Der soziale Austausch und Umgang mit anderen Schülern und Menschen ist auch sehr wichtig und dieser geht durch die Pandemie total verloren.“
„Ich bin mehr abgelenkt. Ich kann mich weniger auf den Unterricht konzentrieren.
Es haben sich bei mir viele Lücken aufgebaut, dass ich über eine freiwillige Wiederholung nachdenke.“
„In der Zeit des Homeschoolings, habe ich mich oft ’verloren‘ gefühlt mit allem, was da passierte. Mir ging es psychisch dadurch nicht gut.
Oftmals habe ich angefangen, an mir selbst zu zweifeln. Ich habe mich sehr oft aufgeregt, wenn das Internet nicht gut war oder ich irgendwas nicht wie sonst hinbekommen habe.“
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84.9%

hatten weniger soziales Engagement in- und außerhalb der Schule aufgrund von Restriktionen.

Themenfeld: Soziale Kontakte und schulisches/außerschulisches Engagement

Die Kontaktbeschränkungen führten zu einer starken Einschränkung zwischenmenschlicher Kontakte mit Peers in der Freizeit; fast zwei Drittel der Befragten gaben an, während der Zeit des Homeschoolings teilweise oder vollständig auf reale Begegnungen mit Klassen- oder Schulkamerad:innen verzichtet zu haben; Ebenso kam es zu einem fast vollständigen Erliegen von schulischem und außerschulischem Engagement: 85 % der Befragten stimmten zu, dass sie sich schulisch und außerschulisch weniger engagierten als vorher (z.B. SMV, Ehrenamt) aufgrund der geltenden Restriktionen. 

„Ich habe nicht das Gefühl tatsächlich vorangekommen zu sein.
Es ist wie als wäre ich im März 2020 hängen geblieben und als wäre das alles nur ein blöder Alptraum. Ich gehe NIE raus (aus Vorsicht und weil meine Motivation nicht vorhanden ist).“
„Ich fühle mich viel einsamer und schlechter. Die sozialen Kontakte und
der Austausch wird total vernachlässigt, die Kommunikation funktioniert gar nicht. Ich finde es sehr traurig, dass uns die Jugend mehr oder weniger genommen wird.“
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65.9%

fühlten sich einsamer als sonst.

Themenfeld: Eigenes Befinden und Zufriedenheit mit der Gesamtsituation

Dass sich nicht zuletzt das Fehlen zwischenmenschlicher Kontakte auch auf das eigene Wohlbefinden auswirkt, zeigt die Befragung deutlich: Zwei Drittel gaben an, sich einsamer zu fühlen als sonst (27 % trifft eher zu, 39 % trifft voll und ganz zu) und 63 % fühlten sich niedergeschlagener als sonst. Zwar gab gut die Hälfte an, eine gute Zeit in ihrem Zuhause verlebt zu haben, jedoch verneinten mehr als die Hälfte der Befragten (53 %) die Frage, ob sie gestärkt aus der Zeit der Fernlernens herausgekommen seien. 

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32%

waren mit der Gesamtsituation nicht zufrieden. Insgesamt war der überwiegende Teil unzufrieden oder neutral, nur ein kleiner Teil war eher zufrieden.

In puncto Zufriedenheit im Vergleich zu der Situation vor Corona gab ein Großteil der Befragten an, weniger zufrieden zu sein als zuvor.

Herrschte bei vielen anfänglich noch Zuversicht ob einer schnellen Rückkehr zur „Normalität“, wechselte die anfangs optimistische Stimmung bei der Mehrzahl der Befragten über in ein Gefühl der Stagnation, der Monotonie und des Stillstands, häufig begleitet von einer abnehmenden Motivation.. 

Über Talent im Land

Talent im Land ist ein Schülerstipendienprogramm in Baden-Württemberg, das Jugendliche unterstützt, die auf ihrem Bildungsweg zur Hochschulreife Hürden zu überwinden haben. Durch Bildung Talente entfalten, Persönlichkeiten fördern, Potentiale erkennen und Leistung unterstützen – das sind die Ziele, für die Talent im Land steht. Aktuell befinden sich 155 aktive Stipendiat:innen im Programm.
 

Neue Bewerbungsrunde

 

Über alle Schularten hinweg können sich auch in diesem Jahr wieder Schülerinnen und Schüler, die das Abitur oder die Fachhochschulreife anstreben, für ein Stipendium bei Talent im Land bis zum 15. März 2022 online bewerben. Zum Zeitpunkt der Bewerbung muss mindestens Klassenstufe 7 besucht werden und bis zum Erreichen des (Fach-) Abiturs müssen noch zwei volle Schuljahre bevorstehen (Abschluss also frühestens 2024). Förderbeginn ist der 1. September 2022. Mehr zu den Auswahlkriterien und Bewerbungsbedingungen finden Sie hier:

 

Bewerbung Talent im Land