Qualität statt Schlagzeilen
Wie sieht verantwortungsvoller Journalismus aus?
„Qualität statt Schlagzeilen: Wie sieht verantwortungsvoller Journalismus aus?“ war eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Schauspiel Stuttgart und dem Staatsanzeiger Baden-Württemberg.
Insbesondere in diesen Zeiten, in denen Rechtspopulisten die Demokratie und Meinungsfreiheit in Frage stellen, haben Journalist:innen eine besondere Verantwortung. Themen zuzuspitzen, auf den Punkt zu bringen und kritisch über das Regierungshandeln zu berichten ist die DNA des Journalismus und elementarer Bestandteil der Pressefreiheit. Aber Medienschaffende haben auch Verantwortung, nicht die Polarisierung der Gesellschaft weiter zu verschärfen. Nicht jeder Koalitionsstreit muss zum „Chaos“ und „Ende der Regierung“ aufgebläht werden, nicht jeder Konflikt ist Symbol dafür, dass die demokratischen Akteure unfähig zum Handeln sind.
Wo genau verläuft die Grenze zwischen berechtigter Prägnanz sowie Kritik und Skandalisierung? Wie kann in Zeiten von Online-Journalismus, Social Media und Künstlicher Intelligenz sachlich, differenziert und fundiert berichtet werden? Ist vielleicht gut recherchierter Qualitätsjournalismus die Antwort auf die Krise der Medien, anstatt nur auf schnelle Klicks und hohe Reichweiten zu setzen? Und droht dort, wo es keinen Qualitätsjournalismus vor Ort mehr gibt, die Demokratie an Akzeptanz zu verlieren und Schaden zu nehmen?
Darüber diskutierten am 8. Dezember 2025 Medienschaffende und Expert:innen im Stuttgarter Kammertheater.
Geschäftsführerin Theresia Bauer und Burkhard C. Kosminski, Intendant des Schauspiels Stuttgart, eröffnen den Abend.
Auf dem Podium sagt Dr. Helene Bubrowski, Chefredakteurin von Table.Media, dass Journalismus ein Handwerk sei und sich in seiner Qualität von anderen Medien abgrenzen solle. Qualitätsjournalismus bedeute insbesondere in einer Zeit der Vertrauenskrise in die Medien, genau hinzuschauen, Hintergrundinformationen zu liefern und Themen öffentlich zu verhandeln, die in die Öffentlichkeit gehören.
Franziska Roth, Erste Chefredakteurin im SWR, ist der Meinung, dass Journalismus sich der Wahrheit immer so gut wie möglich annähern muss. Dabei ist die Berücksichtigung von vielen unterschiedlichen Perspektiven in möglichst allen Formaten eine Pflicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ein Merkmal des Qualitätsjournalismus. Dieser muss ausgewogen berichten und sich gegen emotionalisierte Diskurse wehren, wie sie beispielsweise in den Sozialen Medien vorkommen.
Für Rüdiger Soldt, Baden-Württemberg-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, bedeutet Qualitätsjournalismus etwa, dass bestehende Medien standhaft bleiben gegenüber neuen Kanälen und politisch eingefärbten Diskursen. Er beschreibt, wie sich das Verhältnis von Medien und Politiker:innen verändert hat, seit es möglich ist, auf eigenen Kanälen politische Botschaften zu senden. Der Kontakt zu Journalist:innen ist für Politiker:innen oft nur noch ein Zusatz und nicht die erste Wahl zur Kommunikation mit der Bevölkerung.
Professor Dr. Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen, sieht einen direkten Zusammenhang zwischen der Qualität von öffentlichen Diskursen und der Qualität unserer Freiheit in einer Demokratie: Um diese zu sichern, müssen wir uns Fragen nach dem Gemeinwohl in der Demokratie stellen und darüber sprechen, was neutrale Berichterstattung bedeutet und wie sich die Definition von Wahrheit seit dem Aufkommen der Sozialen Medien verändert hat.
Professorin Dr. Annett Heft, Kommunikationswissenschaftlerin an der Universität Tübingen, erklärt: Durch digitale Plattformen können heute viel mehr Menschen ihre Meinung zu einem Thema äußern. Die Hürden, sich an öffentlichen Debatten zu beteiligen, sind deutlich niedriger als früher. Das wirft die Frage auf: Wie unterscheidet sich Journalismus von dieser Vielzahl an Stimmen? Soziale Netzwerke können eine wichtige Ergänzung zu klassischen Medien sein. Oft entstehen dort Diskussionen über dieselben Themen – teilweise basierend auf Berichten aus traditionellen Medien. Doch gerade in sozialen Medien ist der Kampf gegen Desinformation entscheidend, um einen sinnvollen und verantwortungsvollen Austausch zu ermöglichen.
Wie sieht die Zukunft der Medien aus?
Dr. Rafael Binkowski, Chefredakteur des Staatsanzeigers Baden-Württemberg, moderierte den Abend und stellte zentrale Fragen: Wie bringen wir Social Media und klassische Medien zusammen? Und warum zahlen Menschen bereitwillig für Streamingdienste, aber kaum für verlässliche Informationen? Die Podiumsgäste waren sich einig: Lokaljournalismus bietet eine große Chance für klassische Medien. Er kann Themen abdecken, die große Medienhäuser oft nicht bedienen, und sich so wieder stärker in der Gesellschaft verankern. Fest steht: Journalismus muss sich weiterentwickeln. Das Bedürfnis nach verlässlichen Informationen bleibt – unabhängig davon, ob Menschen diese in der Zeitung, online oder in sozialen Netzwerken suchen. Qualitätsjournalismus muss sich klar abgrenzen von Medien, die mit Empörung Geld verdienen. Gleichzeitig braucht es gemeinsame Anstrengungen mit der EU für strengere Regeln in sozialen Medien, damit nicht allein die Algorithmen der großen globalen Plattformen bestimmen, was wir lesen.
KI als Chance, nicht als Bedrohung
Auch die Entwicklung von KI-Tools eröffnet neue Möglichkeiten für die Medienbranche. Die Podiumsgäste betonten: Eine KI wird den Menschen nicht ersetzen, aber sie kann im Hintergrund unterstützen – etwa bei der Recherche oder indem sie neue Perspektiven aufzeigt. Natürlich ist KI fehleranfällig und muss sorgfältig überwacht werden. Dr. Helene Bubrowski warb dafür, keine Angst vor Technik zu haben und sagt: „KI wird genutzt – ob wir wollen oder nicht. Wir dürfen nicht den Anschluss verlieren, sonst überlassen wir das Feld denen, die kein Interesse an einer funktionierenden Demokratie haben.“ Franziska Roth sieht in KI die Chance, Blickwinkel sichtbar zu machen, die in Redaktionen oft fehlen. Wer sich aktiv mit KI auseinandersetzt, kann sogar lernen, bessere Fragen zu stellen – und damit den Journalismus bereichern.
Positive Visionen für die Zukunft
Zum Abschluss fragt Dr. Rafael Binkowski die Podiumsgäste nach positiven Visionen: Wie sollte die Medienlandschaft in zehn Jahren aussehen, damit Qualitätsjournalismus weiter bestehen kann?
Franziska Roth: Wir brauchen einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, flankiert von anderen Medien. Wir sollten uns für mehr Unabhängigkeit von Social Media einsetzen und neue, eigene Räume schaffen, in denen Menschen miteinander diskutieren können.
Prof. Dr. Annett Heft: Wir brauchen Kommunikationsräume, die Informationen mit demokratischen Werden vermittelt. Es braucht mehr unpolitische und nicht kapitalistische Initiativen, die solche Räume anbieten.
Rüdiger Soldt: Die Ressourcen, die durch die Nutzung von KI frei werden, können anders eingesetzt werden: Wir brauchen mehr "echte" Diskussion und weniger auf Social Media.
Dr. Helene Bubrowski: Wir können die Zukunft nicht vorhersagen, deswegen sollten wir nicht in Panik verfallen, wenn der Untergang der Printmedien prophezeit wird. Stattdessen brauchen wir mehr Vertrauen in die Zuverlässigkeit von Informationen, z.B. durch eine starke Marke oder eine starke Persönlichkeit. Fehlerkultur schafft Vertrauen: Informationen müssen aktualisiert werden und rückblickend reflektiert werden.
Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte: Populisten hassen Positivität. Es gibt viele Gründe, zuversichtlich zu sein: junge Menschen sind und bleiben neugierig und möchten Dinge wissen. Sie haben Medienkompetenz und hinterfragen Informationen - deshalb gibt es Hoffnung.